100 Jahre Frauenwahlrecht

Martina Stecker

Liebe Leserinnen und Leser,

dass Frauen wählen und gewählt werden dürfen, ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Die Erinnerung an die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren lenkt unseren Blick auf viele Jahrzehnte des Kampfes von Frauen um dieses Recht – und auf die Entwicklung der politischen Beteiligung von Frauen bis in die Gegenwart.

Es ist nicht zuletzt auch vielen Sozialdemokratinnen zu verdanken, dass das „Stimmrecht“ für Frauen, wie die Zeitgenossinnen es nannten, nach vielen Kämpfen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und des Kaiserreichs endlich eingeführt wurde.

Sozialdemokratische Frauenpolitik und die Forderung nach dem Frauenwahlrecht hat auch in Duisburg eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Als 1911 der erste Internationale Frauentag weltweit begangen wurde, erreichte die Frauenwahlrechtskampagne in Duisburg einen ersten Höhepunkt, als über 350 Frauen an einer sozialdemokratischen Versammlung teilnahmen und das Wahlrecht einforderten. 1913 waren 785 Sozialdemokratinnen als Mitglieder im Bezirk Niederrhein vermerkt, immerhin 17 Prozent aller Mitglieder! Auf dieser Grundlage haben wir seitdem weitere Fortschritte erreicht.

Heute sind Frauen in den Parteien und Parlamenten selbstverständlich, aber ihr Anteil dort ist immer noch nicht gleich hoch wie der Anteil der Männer. Deshalb müssen wir nach der Einführung von innerparteilichen Quotenregelungen als nächsten Schritt eine Wahlrechtsreform ins Auge fassen, die für eine paritätische Verteilung der Parlamentsmandate zwischen Frauen und Männern sorgt.

Es gibt also noch viel für uns zu tun, nicht nur, aber auch in Duisburg!

Ihre Martina Stecker
Vorsitzende der ASF Duisburg

Als am Sonntag, dem 23. Februar 1919 in Duisburg gewählt worden war, zogen erstmals Frauen in die Stadtverordnetenversammlung ein: von 1919 bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten waren es insgesamt 11 Frauen. Die gewählten Abgeordneten für die SPD waren diese vier:

Arning, Maria (Marie), geb. Kall:

Arning, Maria (Marie), geb. Kall:

*19.4.1887 (Bramsche) – † 12.9.1957 (Magdeburg)

Textilarbeiterin, Hausfrau und SPDFrauensekretärin; später leitende Mitarbeiterin im Arbeitsamt Magdeburg

1919-1920 Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung Duisburg (SPD)

Arning, Maria (Marie), geb. Kall:

Cremers, Therese, geb. Krauels:

*11. Januar 1879 in Aachen; † 29. Juli 1950 in Stuttgart

Hausfrau

1919 – 1929 Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung Duisburg (SPD)

Arning, Maria (Marie), geb. Kall:

Krämer, Maria , geb. Kiwitt:

*3.1.1887 in Duisburg, † 17.11.1940 in Duisburg-Meiderich

Hausfrau

1921 – 1924 Stadtverordnete in der Stadtverordnetenversammlung Duisburg (SPD). Sie löste Rudolf Paletzki ab, dessen Ersatzkandidatin sie war.

Arning, Maria (Marie), geb. Kall:

Wilke, Magdalena (Magda):

*5.7.1894 in Königsberg/Neumark; † 29.4.1979 in Duisburg

Städtische Wohlfahrtspflegerin

1929 – 1931 Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung Duisburg (SPD)

Arning, Maria (Marie), geb. Kall:

_____________________________________________________________________________

Duisburger SPD-Frauen in Bundestag, Landtag und an der Spitze der Stadt Duisburg

Für den NRWLandtag:

Waltraud Lauer 1975-1990
Charlotte Kann 1990 – 2005
Gisela MeyerSchiffer/ später Gisela Walsken 1990 -2012
Sarah Philipp seit 2012

______________________________________________________________________________________

Für den Bundestag:

Petra Weis 2002 – 2009
Bärbel Bas seit 2009

Arning, Maria (Marie), geb. Kall:

Duisburger SPD-Frauen an der Spitze der Stadt
Arning, Maria (Marie), geb. Kall:
Oberbürgermeisterin: Bärbel Zieling (1997 bis 2004)
Bürgermeisterin: Monika Busse (1997 – 1999; 2002 – 2007)

Einen Sonderstatus bei den ersten Duisburger SPD-Politikerinnen nimmt Marie Arning ein. Sie ist Wegbereiterin und Vorkämpferin der heutigen Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen in Duisburg.

Der frühe Tod ihres Vaters zwang Marie Arning, zur Existenzsicherung der Familie beizutragen. Und so wurde sie nach dem Besuch der Volksschule in Bramsche und Osnabrück Textilarbeiterin. Bis zum 27. Lebensjahr arbeitete sie in einer Textilfabrik, bis sie wegen einer Aussperrung mit ihrer Familie ins Ruhrgebiet übersiedelte. Hier in Duisburg schloss sie sich der SPD und der sozialdemokratischen Frauenbewegung an. 1917-1918/1919 arbeitete sie als Sekretärin in der Zentrale für Arbeiterbildung bzw. als ehrenamtliche Parteisekretärin der SPD Duisburg. 1919 – 1920 war sie Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung Duisburg für die SPD. 1920 wurde sie hauptamtliche Frauensekretärin im SPD-Bezirk Niederrhein und Vorsitzende der sozialdemokratischen Frauen des Bezirks Niederrhein. 1922 siedelte sie nach Magdeburg über und übernahm dort die Funktion einer SPD-Bezirkssekretärin für Frauenagitation und den Vorsitz des Ortausschusses der Arbeiterwohlfahrt. 1924 bis September 1930 war sie Abgeordnete im Reichstag der Weimarer Republik (Magdeburg; SPD).

SPD- Frauen in der Stadtverordnetenversammlung 1919 und im Rat der Stadt Duisburg 2019

Die Duisburger AsF-Vorsitzenden 1973 bis heute

Am 24. Juni 1972 beschloss der Parteivorstand der SPD, eine Arbeitsgemeinschaft für Frauen in der SPD zu gründen. Im März 1973 fand die erste Bundeskonferenz der AsF in Ludwigshafen statt und im gleichen Jahr wurde die AsF in Duisburg gegründet. Ihre Vorsitzenden waren seitdem:

1973 bis 1981 Wilhelmine Bertling

1981 bis Anfang 1987 Hanna Pucher

1987 bis Juni 1990 Brigitte Pietsch

1990/1991 Gisela Meyer-Schiffer (Gisela Walsken) und Christa Pfeffer

1991 bis 1994 Gisela Meyer-Schiffer (Gisela Walsken)

1994 bis 2010 Christa Pfeffer

2010 bis heute Martina Stecker

SPD- Frauen in der Stadtverordnetenversammlung 1919 und im Rat der Stadt Duisburg 2019

SPD- Frauen in der Stadtverordnetenversammlung 1919 und
im Rat der Stadt Duisburg 2019

Jahr

Gesamtzahl Stadtverordnete bzw. Ratsmitglieder

davon Frauen
Abs. in %

Anzahl SPD-Frauen, Stadtverordnetenversammlung bzw. Rat der Stadt der Stadt

1919

75

4 xxxxxx 5,3

2

2019

84

31xxxxxx36,9

12

1850: Das Preußische Vereinsrecht untersagt bis 1908 Frauen die Mitgliedschaft in Vereinen und die Teilnahme an politischen Versammlungen

1879: August Bebel fordert in seinem Werk „Die Frau und der Sozialismus“ die volle Teilnahme der Frau am öffentlichen Leben

1891: Die Sozialdemokratie fordert im Erfurter Programm das Wahlrecht auch für Frauen

1911: Die Sozialdemokratin Clara Zetkin initiiert den ersten Internationalen Frauentag als Kampftag für das Frauenstimmrecht

1918: Im Zuge der Novemberrevolution wird das aktive und passive Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger ab 20 Jahren eingeführt

1919: Die sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Marie Juchacz spricht in der Weimarer Nationalversammlung als erste Frau vor einem Parlament

1919: In der Weimarer Verfassung heißt es in Artikel 109, Abs. 2 „Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“

1945: Die Sozialdemokratin Johanna Niederhellmann wird Bezirksvorsteherin in Ruhrort

1949: Die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert kämpft erfolgreich für den Gleichberechtigungsgrundsatz im Grundgesetz, der schließlich in Artikel 3, Absatz 2 verankert wird.

1958: Das „Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts“ tritt in Kraft

1972: Mit der Sozialdemokratin Annemarie Renger wird erstmals eine Frau Bundestagspräsidentin

Die ASF wird in Ludwigshafen gegründet. In Duisburg wird Mischi Bertling die erste ASF-Vorsitzende

1985: Die Gleichstellungsstelle der Stadt Duisburg wird als eine der ersten in NRW eingerichtet

1977: Die Reform des Ehe- und Familienrechts tritt in Kraft

1978: Das erste Frauenhaus in Duisburg wird eröffnet. Die ASF setzt sich seitdem für eine gute Mädchen- und Fraueninfrastruktur in Duisburg ein

1988: Die SPD nimmt die 40-Prozent-Quote in ihre Satzung auf

1994: Artikel 3 GG wird ergänzt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

1999: Das Landesgleichstellungsgesetz NRW tritt in Kraft

2016: Die gesetzliche Vorgabe für eine Geschlechterquote von 30 Prozent für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in etwa 100 großen Unternehmen tritt in Kraft.

2018: Die Duisburger ASF unterstützt die Initiative der Bundes-ASF zur Streichung des § 219a Strafgesetzbuch

2019: 100 Jahre Frauenwahlrecht – Die Duisburger ASF fordert gemeinsam mit vielen anderen Frauenorganisationen ein Paritätsgesetz